Podium 1: Unsicher, unterbezahlt, unzufrieden – Freie ohne Zukunft?

Die ARD steht vor der wohl größten Herausforderung ihrer Zeit! Mit diesen Worten hat WDR-Intendant Tom Buhrow zu Beginn des diesjährigen ARD-Freienkongresses im WDR-Funkhaus in Köln die derzeitige Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschrieben.

Egal wie die Empfehlung der KEF für die nächste Beitragsperiode ausfalle, sei es danach äußerst fraglich, ob die Bundesländer ihr zustimmten.

Dennoch versicherte der WDR-Intendant, dass Freie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter eine zentrale Rolle spielen werden.

Copyright: WDR/Taimas Ahangari

Aber wie sieht diese Rolle aus?

Jede/r dritte Beschäftigte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht festangestellt, sondern arbeitet „frei“ und macht hauptsächlich das Programm. Trotzdem sind ihre Jobs nicht sicher, und sie sind oft die ersten, die von geforderten Einsparungen direkt betroffen sind.  Es geht um nicht weniger als 18.500 Kolleginnen und Kollegen.

Daraus resultiert bei ihnen eine enorme Unzufriedenheit, berichtet Christoph Reinhardt von der rbb-Freienvertretung. Viele Kolleginnen und Kollegen vermissten Wertschätzung ihres Auftraggebers und sprächen sogar von Geringschätzung. 

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Doch woher stammt diese Unzufriedenheit?

Für Dr. Katrin Vernau, WDR-Verwaltungsdirektorin, sind die Freien in der ARD nicht wegzudenken. Allerdings müssten sie sich weiterentwickeln. Tarifverträge seien zum Teil veraltet und müssten mit den Gewerkschaften zukunftssicher gestaltet werden.

Tatsächlich verhandelt der WDR derzeit mit den Gewerkschaften über einen neuen Honorarrahmen für Freie. Nach ersten Entwürfen zeigt der jedoch, dass auf viele Freie erhebliche Einkommensverluste zukommen würden.

Und das, obwohl sich freie Journalistinnen und Journalisten ständig weiterbilden und weiter entwickeln, berichtet Stephanie Hajdamowicz, Freie im WDR und stellvertretende Personalratsvorsitzende. Sie hat für den ARD-Freienrat die Moderation der Auftaktveranstaltung übernommen. Weniger Geld der Beitragszahler führe zu weniger Programm, und das bedeute weniger Geld für die Programm-gestaltenden Kolleginnen und Kollegen.

Viele Freie wünschten sich daher, dass die ARD-Intendanten noch stärker in die Pflicht  genommen werden, sagt Matthias von Fintel, Bereichsleiter Medien, Journalismus und Film bei der Gewerkschaft Verdi. Diese müssten noch vehementer für eine ausreichende Finanzierung eintreten und bei den Bürgern stärker kommunizieren, was diese für ihr Geld eigentlich bekämen.

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Eine Forderung, die auch durch mehrere Redebeiträge aus dem Publikum unterstrichen wurde.

Im europäischen Vergleich steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk beim Thema Unabhängigkeit noch ganz gut da. Das sagt zumindest Petra Kammerevert, die Vorsitzdende des WDR-Programmausschusses und Mitglied des Europäischen Parlaments. Dennoch ist die Politikerin der Meinung, dass die alte Parole der ARD – „Wir sparen überall, nur nicht am Programm“ –  nicht mehr haltbar sei. Wenn dann Sendungen eingestellt werden, träfe das natürlich auch Freie. Auch wenn Rundfunkrat und Programmausschuss keine Möglichkeit hätten über Honorare für Freie mitzureden, so hätten die Gremien sehr wohl im Blick, dass Arbeitsverdichtung gepaart mit Unzufriedenheit zu Lasten der Qualität geht.

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Harte Arbeitsbedingungen, die sich wahrscheinlich in absehbarer Zukunft noch verschlimmern könnten. Für etwas Sicherheit würde da sorgen, wenn alle Sender ihren Freien zumindest die Sorge vor Jobverlusten nehmen könnten. So fordert Christoph Reinhardt von der rbb-Freienvertretung Kündigungs- und Bestandsschutz für programmgestaltende Freie. Dass so etwas geht, haben andere Sender, wie etwa der SWR, bereits vorgemacht.

Autor: Stephan Hackenbroch