Verschoben: Die ARD-Reform und die Freien. 30 Minuten mit dem ARD-Freienrat

Wegen der Warnstreiks am 12. März 2024 konnte die Premiere der „30 Minuten“ leider nicht stattfinden. Wir nehmen einen neuen Anlauf, voraussichtlich im April.

Was bringt uns die ARD-Reform? Kriegen wir mehr Jobs, oder verlieren wir Aufträge? Wie werden wir in Zukunft beteiligt? Gibt es mehr Rechte für uns? Was heißt das für unser Programm? Was stemmen wir in Zukunft zusammen mit anderen Sendern? Wird unsere Arbeit in Zukunft neu bewertet? Welche Gedanken haben wir zur Reform?

Der erste Austausch ist ganz bewusst sehr offen gestaltet, um auch Themen zu identifizieren für unseren baldigen Austausch mit dem ARD-Vorsitzenden.

Der Teams-Link wird rechtzeitig über die Interessenvertretungen der Sender publiziert.

Diskriminierung von Teilzeit-Beschäftigten beenden: Weg mit den überholten Haushonoraren!

Die sogenannten „Haushonorare“ der ARD-Sender mögen einmal ihre Berechtigung gehabt haben. Aber das ursprüngliche Ziel wird schon seit vielen Jahren nur noch im Ausnahmefall erreicht. In der Regel sorgen diese Regelungen im besten Fall für Bürokratie, im schlechtesten Fall für eine Diskriminierung von Teilzeit-Beschäftigten, die neben einer Anstellung ihren Lebensunterhalt auch in freier Mitarbeit erbringen müssen.

„Haushonorare“ – das klingt zwar ein bisschen nach „Haustarifvertrag“.  Aber statt faire Honorare für Freie durchzusetzen, bewirken Haushonorare de facto das Gegenteil: Mit diesen Regelungen werden Tarifhonorare unterlaufen bzw. Dumpinghonorare ermöglicht. Wer bei in einem öffentlichen Sender angestellt ist und daneben für einen dieser Sender in freier Mitarbeit tätig werden will, bekommt in der Regel nur 50 Prozent der üblichen Freien-Honorare – falls solche Aufträge nicht sogar ganz blockiert werden.

Vor vielen Jahren sollten Haushonorare verhindern, dass sich gut abgesicherte Vollzeitangestellte der Rundfunkanstalten gegenseitig die Taschen vollmachen, indem sie sich neben ihrer Kernarbeit honorierte Aufträge zuschanzen. Die vielleicht sogar während der bereits mit dem Gehalt abgegoltenen Arbeitszeit erledigt wurden, möglicherweise mit den Arbeitsmitteln des Senders. Dass die Sender vor diesem Hintergrund einen Riegel vorschieben mussten, ist auch mit Blick von heute nicht zu kritisieren.

Aber durch die veränderten Rahmenbedingungen treffen Haushonorare heute in aller Regel die Falschen. Oft langjährige Freie, die befristet einspringen, wenn eine Elternzeitvertretung, eine Projektmitarbeit gefunden werden muss. Typischerweise in Teilzeit und mit unklarer Perspektive, was nach der Phase in Festanstellung kommen soll. Dass dieser Personenkreis ein hohes Interesse hat, neben der vorübergehenden Anstellung auch weiter für bisherige Auftraggeber tätig zu bleiben, hat nichts mit unzulässigen Vorteilen zu tun, sondern folgt wie auch im Fall von Teilzeitbeschäftigen allein wirtschaftlicher Notwendigkeit.

Der Freienrat fordert die ersatzlose Abschaffung der überkommenen Haushonorarregelungen in den öffentlichen Rundfunksendern. Um mögliche Compliance-Verstöße von unbefristet Vollzeitangestellten zu verhindern, haben die meisten Sender längst wirksamere Mittel in der Hand als die generelle Kappung größtenteils tarifierter Honorare – wo es sie noch nicht gibt, sind sie zu schaffen. Die willkürliche Kürzung der üblichen Honorare bei befristet oder in Teilzeit Angestellten ist durch nichts zu begründen und auf jeden Fall ungerechtfertigt. Sollte dies bei unbefristet beschäftigten Vollzeitkräften im Einzelfall anders sein, müsste dies konkret dargelegt werden und die Ausnahme statt der Regel sein.

Für den ARD-Freienrat: Der Vorstand

Stephanie Funk-Hajdamowicz stephanie.hajdamowicz@fm.wdr.de
Christoph Reinhardt christoph.reinhardt@rbb-online.de
Stefan Tiyavorabun Stefan.Tiyavorabun@swr.de
Rüdiger Trojok ruediger.trojok@mdr.de
Kontakt: info@ard-freie.de

Zeit, den Status quo aufzubrechen

ARD Freienrat Köln 2023 – Panel: Was bin ich

„Neulich beim Kneipengespräch erklärte ich einem Arbeitsrechtler, dass ich arbeitnehmerähnlich bin“, schilderte ein freier Kollege die Begegnung mit einem Juristen. „Arbeitnehmerähnlich?“ entgegnete der Anwalt, „das gibt es nicht, das ist illegal.“ Die Anekdote sorgte auf dem Panel „Was bin ich? Schluss mit dem arbeitsrechtlichen Ratespiel“ für Kopfnicken und Lacher unter den Teilnehmer:innen. Viele können sich darin wieder finden. Außerhalb der Öffentlich Rechtlichen ist es schwierig Menschen zu erklären, dass wir zwar Seite an Seite mit festangestellten Redakteur:innen am selben Programm arbeiten, häufig seit Jahren und Jahrzehnten und viele sogar auf Lohnsteuerkarte, und dennoch nicht fest angestellt, aber auch nicht scheinselbständig sind.

DJV-Justiziarin Hanna Möllers, die zur Statusfrage von uns festen Freien referierte, sieht die Zeit gekommen, diesen Status in Frage zu stellen. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Anfang der 1980er den Sendern erlaubt hatte, uns regelmäßig zu beschäftigen, ohne uns einzustellen zu müssen, wurde in einer ganz anderen Zeit gefällt. Es ermöglichte den Rundfunkanstalten diese Form der Beschäftigung, um im Sinne der Rundfunkfreiheit Vielfalt und Abwechslung im Programm zu garantieren. Feste Freie sollten damals die fest angestellten Journalist:innen ergänzen, nicht ersetzen, wie es heute der Fall ist. „Wenn jemand seit zehn, zwanzig oder mehr Jahren in derselben Redaktion mit derselben Tätigkeit arbeitet“, folgerte Möllers, „grenzt das an eine missbräuliche Inanspruchnahme des Privilegs der Rundfunkfreiheit.“ Bleibt also nur, zu klagen oder auf die Politik zu hoffen. Zum Beispiel, wenn es eine EU-Richtlinie zum Kündigungsschutz gäbe oder dieser im deutschen Recht auch auf Arbeitnehmerähnliche ausgeweitet wird.

Doch längst nicht alle Freien im Publikum waren sich einig, ob sie fest eingestellt werden wollen. Die einen betonten, sie sind froh, nicht ständig im Sender-Büro zu sitzen, sondern raus zu gehen, zu recherchieren, zu berichten und ihre Zeit freier einteilen zu können. Die anderen berichteten von der aktuellen Einklagewelle bei der Deutschen Welle, weil viele Freie auf die Straße gesetzt werden. Wieder andere beobachten ein Werben um Freie, weil viele Feste der Boomer-Generation in Rente gehen. Kolleginnen und Kollegen vom Hessischen Rundfunk und vom SWR berichteten von den dortigen Regelungen zu Beschäftigungsgarantien für Freie. Diese konnten nur durch hartnäckige Tarifverhandlungen erreicht werden. „Sammelt Ideen“, ermutigte Hanna Möllers die Panel-Teilnehmer:innen, „wie wir Auswege aus der unbefriedigenden Lage finden können.“

Miltiadis Oulios.

Die KI kommt, die Arbeit bleibt

ARD Freienrat Köln 2023 – Panel KI

Die Frage, wie Künstliche Intelligenz unsere Jobs als Journalist:innen verändern wird, bewegt uns Freie zunehmend. Kontrovers verlief dazu die Diskussion auf dem Panel mit dem augenzwinkernden Titel „KI, übernehmen Sie!?“. Während Christina Elmer, Professorin für Digitalen Journalismus an der TU Dortmund dafür plädierte, unsere Zukunft mit KI bewusst zu gestalten und zu regulieren, winkte Claudia Löbbecke, Professorin für Medien- und Technologiemanagement an der Uni Köln ab: „Happy Regulation.“

Löbbecke, die auch im WDR-Verwaltungsrat sitzt, sah ihre Rolle darin, den advocatus diaboli zu spielen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu raten: „Im Journalismus nicht eine Sekunde Deep Fake“. Wenn die öffentlich-rechtlichen einmal anfingen, mit selbst generierten Fakes und Bots zu experimentieren, riskierten sie ihre Glaubwürdigkeit als wichtigstes Alleinstellungsmerkmal. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“ Umfassende Kennzeichnung und Transparenz würden in der Praxis kaum möglich sein.

Aus den Reihen der am Kongress teilnehmenden Freien wurden Forderungen nach einer ARD-Charta laut, die dem Publikum versichert: „Jede Stimme, jedes Gesicht ist bei uns menschlich.“ Christina Elmer warb für einen offeneren Umgang mit generativer KI – also jener Programme, die neue Inhalte synthetisch erzeugen. Im Journalismus nutzen wir ja schon Künstliche Intelligenz in Form digitalisierter Archive, Transkriptionssoftwares und  datenbasierter Recherche. Heilfroh sei sie, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man noch Archivmaterial mit dem Rollwagen durch die Senderflure schieben musste.

Der Einsatz von KI werde in Zukunft hybrid sein und Autor:innen werden sie in ihrer Arbeit mit eigener, menschlicher kreativer Leistung kombinieren. Arbeitslos werde uns die Künstliche Intelligenz nicht machen. Lediglich dreißig Prozent der journalistischen Arbeit seien Studien zufolge durch KI ersetzbar – im besten Fall verschafft sie uns Freiräume. „Wenn wir das kompetent machen, wertebasiert und gut reguliert“, so Elmer, „dann können wir mit KI-Systemen den Journalismus auch verbessern.“

Problematisch wird es allerdings mit der Vertretung der Urheber:innen-Rechte. Denn das Material, mit dem KI trainiert wird, stammt ja unter anderem von Autorinnen und Autoren, auch wenn das im Endergebnis nicht mehr nachweisbar ist. Es ist also an der Zeit, gegenüber den Anbietern eine VG-Wort-Abgabe durchzusetzen. Das wird keine KI erledigen, das müssen wir schon selbst tun.

Miltiadis Oulios.

Mehr Transparenz und Beteiligungsrechte im Rundfunk

ARD-Freienkongress fordert Reformen und mehr Beteiligung der Mitarbeitenden

Die Interessenvertretungen für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den ARD-Sendern und im Deutschlandradio fordern im Zug der Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr Transparenz und starke Beteiligungsrechte für die rund 18.000 freien Beschäftigten. Auf dem siebten ARD-Freienkongress waren an den beiden Kongresstagen am 13. und 14. Oktober insgesamt knapp 250 Teilnehmende im WDR Funkhaus in Köln zusammengekommen, um die Auswirkungen der ARD-Reformen auf die Lage der Freien und ihre Forderungen an die Politik sowie die Leitungen der Sender zu diskutieren.

Stefan Tiyavorabun (SWR), ein Sprecher des ARD-Freienrats, warnte in der Podiumsdiskussion „Rundfunk am Limit – Wird die vierte Gewalt überflüssig?“ vor einer weiteren Schwächung des öffentlich-rechtlichen Systems. Die zunehmende Dominanz von Internetplattformen ohne unabhängige Recherche und mit eigenen Interessen gefährde die demokratische Meinungsbildung, umso mehr, als der Qualitätsjournalismus im Printbereich unter starken Druck geraten sei. Er forderte alle demokratischen Parteien dazu auf, ohne Wenn und Aber für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als zentrale Säule der Demokratie einzustehen, auch wenn es erheblichen Verbesserungsbedarf gebe. Durch den jahrelangen Spardruck arbeiteten viele freie Journalistinnen und Journalisten bereits am Rand der Überlastung. Die Anforderungen an die Mitarbeitenden, die immer mehr Ausspielwege bedienen, dafür immer weniger Zeit hätten und zugleich Honorarkürzungen hinnehmen müssten, hätten sich erheblich erhöht, berichtete WDR-Personalrätin Anja Arp. „Wir sind zu einer Art eierlegenden Wollmilchsau geworden.“

Dass im Angebot der Sender bereits Qualität verloren gegangen sei, konstatierte Florian Braun, CDU-Medienpolitiker und WDR-Rundfunkrat, insbesondere mit Blick auf Social-Media-Angebote. Man habe anfangs nicht auf geschulte Journalisten gesetzt, sondern auch Leute von außen geholt, die nicht mit den Qualitätsanforderungen öffentlich-rechtlicher Sender vertraut gewesen seien.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur (Grüne), sprach sich uneingeschränkt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus, plädierte aber zugleich für eine technologische Modernisierung der öffentlich-rechtlichen Angebote, insbesondere der Mediatheken. Die Arbeit der unabhängigen Journalist:innen müsse bei den Bürger:innen ankommen. Sie erwarte von den Sendern saubere Recherche, Transparenz, technologische Exzellenz „und die aktive Suche nach Öffentlichkeiten, die nicht die klassischen Öffentlichkeiten sind“. 

WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn sprach von zwei Kernfragen der Zukunft für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Einerseits sorge der Aufstieg der Plattformen für eine „Entregionalisierung“, andererseits müssten Landessender wie der WDR die regionalen Lebensräume im Blick behalten. „Wir sind in der täglichen Abwägung – und brauchen eine finanzielle Grundlage.“ Zwischen den Investitionen in Mediatheken und dem linearen Angebot gebe eine starke Ressourcenkonkurrenz.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Frank Überall, forderte die Politik auf, die Weiterentwicklung und den Bestand der Sender sicherzustellen. „Wenn die KEF eine Erhöhung empfehlen sollte, warne ich davor, Öl ins Feuer zu gießen und ein Wahlkampfthema daraus zu machen.“ Ein von mehreren Ministerpräsidenten geforderter Verzicht auf eine Beitragserhöhung sei ein Verfassungsverstoß.

Eine Modernisierung von veralteten Tarifverträgen hatte bereits am Freitag WDR-Verwaltungsdirektorin Katrin Vernau angemahnt. Derzeit werde beim WDR über einen neuen Honorarrahmen für Freie verhandelt. Wie wichtig faire Honorare seien, habe sie bei ihrem einjährigen Einsatz als Interimsintendantin des Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) erlebt. Sie habe dort eine Situation vorgefunden, in der die damalige Geschäftsleitung den Programm-Mitarbeitenden die Angleichung ihrer Honorare auf das Niveau der angestellten Kolleginnen und Kollegen zwar tarifvertraglich zugesichert, danach aber nicht finanziell unterlegt habe. Die große Unzufriedenheit der Betroffenen sei nachvollziehbar.

Christoph Reinhardt, Vorsitzender der RBB-Freienvertretung, forderte, den fehlenden Kündigungsschutz und gesetzliche Arbeitszeitregelungen für arbeitnehmerähnliche Freie durch tarifliche Regelungen zu kompensieren. Dabei müssten die ARD-Sender voneinander lernen und Best-Practice-Regelungen bundesweit ausrollen. Beispielhaft sei etwa der Bestandsschutz-Tarifvertrag des Südwestrundfunks (SWR), der dort einem Großteil der Freien ein vergleichbares Maß von sozialer Sicherheit verschaffe wie Angestellten.

Die stellvertretende Vorsitzende des WDR-Personalrats und Kongressmoderatorin, Stephanie Hajdamowicz, (ARD-Freienrat) berichtete von der Arbeit in der gesetzlichen Personalvertretung und forderte, dass feste Freie in allen ARD-Sendern durch die Personalräte vertreten sein müssen. Sie lobte die 2021 erfolgte Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes, das in der Regelung für die Deutsche Welle auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte in den Geltungsbereich aufnimmt. „In der Folge gibt es inzwischen nicht nur Freie im Personalrat der Deutschen Welle, sondern in der Folge auch beim Norddeutschen Rundfunk und ab dem kommenden Jahr voraussichtlich auch beim RBB. Wir gehen davon aus, dass die Änderung auch für die Freien des Deutschlandradios durchschlägt und fordern, dass endlich auch die MDR-Länder und Bayern den Weg freimachen.“

Neben den tarifpolitischen Diskussionen und Fachgesprächen über Arbeitsrecht beschäftigte sich der Freienkongress in mehreren Panels u.a. mit neuen Entwicklungen wie dem Einfluss von KI-gestützter Technik für den Rundfunk und den Chancen für gemeinnützige Finanzierung von freier journalistischer Arbeit. Mit dem Preis des ARD-Freienrats „Das dicke Brett“ würdigte der Freienkongress in diesem Jahr den wöchentlich erscheinenden Newsletter der rbb-Freienvertretung. „Der Newsletter erscheint inzwischen seit über fünf Jahren zuverlässig mit ungewöhnlich hoher Taktung und ist ein gelungenes Beispiel, dass die Kombination aus geschriebenem Wort, Transparenz und Beharrlichkeit auch Interessenvertretungen mit wenig formaler Macht echten Einfluss verschaffen kann“, so der Vorstand des ARD-Freienrats. Lobend erwähnt wurde auch die Mailingliste der Freien im Deutschlandradio und das umfangreiche Angebot an Freien-Sprechstunden des WDR-Personalrats. Nach zwei zuvor durch Corona bedingten Online-Kongressen planen die Freien von ARD, ZDF und Deutschlandradio ihre Kongressreihe in etwa jährlichem Abstand in Präsenz fortzusetzen.

für den ARD-Freienrat: der Vorstand

Ansprechpartner:
Stefan Tiyavorabun stefan.tiyavorabun[ät]swr.de
Stephanie Hajdamowicz stephanie.hajdamowicz[ät]fm.wdr.de
Christoph Reinhardt christoph.reinhardt[ät]rbb-online.de

Podium 2: Rundfunk am Limit – Wird die vierte Gewalt überflüssig?

Mit Anja Arp, ARD-Freienrat 
Florian Braun CDU, Landtag NRW, Ausschuss Kultur/Medien 
Maria Exner, PUBLIX
Mona Neubaur, Bündnis 90/Die Grünen, Stv. Ministerpräsidentin NRW
Jörg Schönenborn, WDR-Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung 
Prof. Dr. Frank Überall, DJV-Vorsitzender
Moderation Stefan Tiyavorabun 

Radio, Fernsehen, Online in hoher Qualität zum Schnäppchenpreis? Zu dieser Fragestellung gab es am Samstag, 14.10., am  Nachmittag noch einmal eine spannende Podiumsdiskussion.  Zunächst wurde über die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert. Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die Legitimationsdebatte eigentlich überflüssig ist, da die öffentlich-rechtlichen Programme eine sehr wichtige Bedeutung für die Gesellschaft und letztlich auch für unsere Demokratie haben. Es wurden Vergleiche zu anderen Staaten gezogen, wo das deutsche Modell viele Bewunderer hat.

Copyright: WDR/Taimas Ahangari

Nächster Schwerpunkt der Diskussion waren die Zukunftsaufgaben. Hier wurde thematisiert, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk entwickeln muss, um auch in Zukunft seine Aufgaben gut zu erfüllen. Hier äußerten die Diskussionsteilnehmer verschiedene Wünsche von mehr Vielfalt in der Berichterstattung  bis zum Ausbau des Digitalen und der Mediathek. Weiterhin wurde gefordert, dass es keine Selbstzensur geben dürfe und man sich nicht durch Shitstorms einschüchtern lassen soll.  

Beim Thema Geld gingen die Meinungen  auseinander. Bei der Diskussion über die Finanzierung wurde deutlich, dass es in den kommenden Jahren vermutlich nicht zu einer Erhöhung der Beiträge kommen wird, obwohl die Inflation nach wie vor relativ hoch ist. Während die Einen anmahnten, dass sich die Sender darauf einstellen müssten, da eine deutliche Erhöhung der Beiträge kaum vermittelbar sei, drängten andere darauf, mit mehr Selbstbewusstsein eine Anpassung der Beiträge in Richtung Inflationsausgleich zu verlangen.

Copyright: WDR/Taimas Ahangari

Zum Schluss der spannenden Diskussionsrunde  ging es noch einmal um die Glaubwürdigkeit der öffenlich-rechtlichen Sender und wie man am besten einem möglichen Vertrauensverlust vorbeugt. Dabei wurde aber auch betont, dass die Akzeptanz vielerorts weit höher ist als oft befürchtet. Dazu gab es auch ein paar Beispiele, die aus dem Publikum beigesteuert wurden.  Fazit: Eine packende Diskussion, die vor allem da spannend wurde, wo es um die Frage der künftigen Finanzierung und der damit verbundenen Auswirkungen ging.

Text: Agnese Franceschini  Johannes Höflich

Dickes Brett für den RBB

„Wir fühlen uns, als hätten wir die Champions League gewonnen“, strahlte Christoph Hölscher und riss das „dicke Brett“ Richtung Hallendecke im Foyer des WDR-Funkhauses. Diesen Wanderpreis – ein Holzbrett mit Lack und Rinde – hatte soeben die Freienberatung des RBB gewonnen – zum Abschluss des ARD-Freienkongresses in Köln.

Das dicke Brett

Geehrt wurde die Freienvertretung beim Rundfunk Berlin Brandenburg für ihren Newsletter, den sie seit fünf Jahren Woche für Woche produziert und verteilt. „Inzwischen“, so erklärte Stefan Tiyavorabun aus der Jury des ARD-Freienrates, „haben sich die Infoschriften so etabliert, dass sie auch von der Geschäftsleitung abonniert werden – und gefürchtet sind.“

Bestes Beispiel: Bei den jüngsten Tarifverhandlungen versuchte der RBB, eine Kappungsgrenze für Honorarerhöhungen so zu verändern, dass Erhöhungen bei vielen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht angekommen wären. „Wir haben im Newsletter darüber berichtet“, erzählte Mit-Preisträgerin Dagmar Bednarek, „und dann ging ein solcher Shitstorm los, dass der Sender bei den Verhandlungen eingebrochen ist. So konnten Einsparungen von rund 400.000 Euro zu Lasten der Freien nicht umgesetzt werden.“

Das überzeugte die Jury des ARD-Freienrates. Die anderen Nominierten – der Personalrat des WDR für sein regelmäßiges Beratungsangebot an die Freien und die Freienberatung des Deutschlandradios für ihre Mailingliste – gingen leer aus, hatten aber vollstes Verständnis für die Entscheidung der Jury.

Autor: Uwe Dietz, WDR

Panel F: Leere Kassen – blanke Nerven

Expertin: Marika Kavouras, verdi im rbb
Moderation: Anja Arp/Manfred Kloiber

Am Samstag, 14.10., ging es im kleinen Sendesaal hoch her. Zahlreiche Freie aus verschiedenen Sendern diskutierten, wie man ständig sinkende Honorare verhindern kann und schilderten dabei, welche Erfahrungen sie in den vergangenen Jahren gemacht haben.

Anja schilderte die Situation im WDR, wo gerade Verhandlungen über einen neuen Honorarrahmen stattfinden. Die Gewerkschaften haben hier den Eindruck, dass das Honorarniveau am Ende in vielen Fällen weiter gesenkt wird. Die Rede ist von Kürzungen bis zu 30 %. Anja berichtete, dass sich viele Freie dagegen wehren und hofft, dass sich der Widerstand auszahlt. Beeindruckt war sie von den Protesten, die in den Landesstudios stattfanden. Dazu gab es eine Diskussion mit reger Beteiligung.

Copyright: WDR/Taimas Ahangari

Manfred Kloiber vom Deutschlandradio schilderte die Problematik der Werkverträge beim Deutschlandradio und erklärte das dortige Honorarsystem mit all seinen Tücken und Fallstricken. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es auch beim Deutschlandfunk große Probleme mit sinkenden Honoraren gibt, die letztlich auch durch die Digitalisierung verstärkt werden.

Marika vom rbb schilderte eindringlich die Situation der Freien beim rbb, die durch den rbb-Skandal in Teilen Bundesweit bekannt wurde. Sie erklärte das dortige Honorarsystem und stellte eindringlich dar, wie schlecht es vielen Freien dort geht. Auch beim rbb zeigt die Honorarkurve steil nach unten.  Besonders intensiv wurde über die Streikaktionen beim rbb diskutiert und die Frage aufgeworfen, ob der rbb in dieser Hinsicht zum Vorbild werden kann.

“Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt”, brachte Manfred Kloiber abschließend die Stimmungslage auf den Punkt. Alle waren sich einig, dass sich die Freien der verschiedenen Sender künftig besser über die Honorarhöhen und Arbeitsbedingungen austauschen sollen.  Am Ende fanden alle, dass die Veranstaltung ebenso erfolgreich wie wichtig war. So kann es weiter gehen.

Text: Agnese Franceschini und Johannes Höflich 

Panel B: Frei, alt und arm?

Die ARD ist ein einziger Moloch, jedenfalls, wenn es um die Themen Kranken-/Rentenversicherung und Pensionskasse geht. Es gibt so gut wie keine allgemeingültigen Regeln. Jede Anstalt geht anders vor, jede Personalabteilung bezieht sich auf andere Tarifverträge. Statusfragen und Beschäftigungsverhältnisse sind überall unterschiedlich. Das war das Ergebnis einer 90minütigen Diskussion, die Moderatorin Anja Arp so zusammenfasste: „Bei allen Fragen rund um Versicherung und Altersvorsorge gilt: Gut buchführen, alles genau kontrollieren und so oft nachfragen wie es geht.“

Über 30 Kolleginnen und Kollegen beteiligten sich im Panel B an der Debatte zum Thema „Frei, alt und arm?“ Von Beginn an war klar: Die Freien in den öffentlich-rechtlichen Anstalten machen sich große Sorgen, wenn sie daran denken, dass sie älter werden und auf Zahlungen der Versorgungskassen angewiesen sind. Denn egal, ob sie als Selbständige über die Künstlersozialkasse oder als abhängig Beschäftigte über die Sender in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen – allein auf diese Rente zu bauen, bedeutet für Freie den ziemlich sicheren Gang in die Altersarmut.

Anja Arp, Iris Gebing 
Copyright: WDR/Taimas Ahangari
Copyright: WDR/Taimas Ahangari

Frühzeitig sollten junge Kolleginnen und Kollegen sich deshalb der Zusatzversorgung der Pensionskasse für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anschließen. Die Sender zahlen auf jedes Honorar einen Zuschuss von 4 Prozent. Jeder kann dann entscheiden, ob er weitere 4 oder weitere 7 Prozent, also insgesamt 8 oder 11 Prozent an die Pensionskasse abführt. „Sobald man 62 Jahre alt ist“, erklärte Iris Gebing von der Pensionskasse, „kann man dann entscheiden, ob das Kapital sofort oder jederzeit bis spätestens zum 70. Lebensjahr als Rente ausgezahlt wird oder auch als Komplettsumme.“ Was für den Einzelnen die beste Lösung sei, so die Expertin, müsse jeder für sich selbst entscheiden. „Die beste Beratung dazu gibt es an unserem Servicetelefon unter der Rufnummer 069-1554100.“

Eine besondere Bedeutung bei der Rentenberechnung kommt auch der Kontenklärung bei der Deutschen Rentenversicherung zu. Regelmäßig schickt die Versicherung ihren freiberuflich tätigen Mitgliedern eine Übersicht über die gezahlten Beiträge. Darin werden nicht nur die zu erwartenden Rentenhöhen mitgeteilt. Es wird auch aufgelistet, in welchen Zeiträumen jemand gearbeitet hat. „Oft passieren aber Übertragungsfehler zwischen Sender und Rentenkasse“, erzählte eine Kollegin vom ZDF aus eigener leidvoller Erfahrung. „Ich war froh, dass ich die uralten Abrechnungen meiner Beitragszahlungen noch im Keller hatte. Damit konnte ich der Rentenkasse zusätzliche Zahlungen nachweisen. Und habe nun einen höheren Rentenanspruch.“

Sehr unterschiedlich gehen die Landesrundfunkanstalten mit der Meldung von Arbeitstagen um. Oftmals wird jeder Tag einzeln abgerechnet – auch mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Dann ist man zwar vier Wochen lang versichert. Aber nur an diesem einen Tag Mitglied der Krankenkasse. Das kann zum Problem werden, wenn man Rentner wird. „Denn wer“, so erläuterte der zweite Moderator Manfred Kloiber, „nicht nachweisen kann, dass er an 90 Prozent der Tage in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens gesetzlich krankenversichert war, der kommt nicht in die Krankenversicherung der Rentner und muss sich dann privat oder freiwillig versichern.“

Deshalb kann es wichtig sein, sich als „unständig Beschäftigte“ einstufen zu lassen. „Ich rate dazu in den meisten Fällen“, erläuterte Jasmin Schäfer vom Personalservice des WDR, „denn dann bleibt man drei Wochen nach einem Arbeitstag Mitglied der Krankenkasse. Der Nachteil ist aber, dass die Beiträge etwas höher sind.“

Und es kann passieren, wenn in diesen drei Wochen nicht ein neuer Arbeitstag gemeldet wird, dass man plötzlich nicht mehr versichert ist und vom Arzt gar nicht mehr behandelt wird. „Das war ein großer Schock“, berichtete eine Kollegin des Hessischen Rundfunks, besonders, wenn man als „Mutter von zwei Kindern“ auch für die beiden Verantwortung hat, die aber auch nicht mehr versichert sind. Diese  Probleme treten auch auf, wenn Redaktionen ihre Honorarzahlungen ein paar Tage liegen lassen und die Meldung des Arbeitstages zu spät erfolgt.

Copyright: WDR/Taimas Ahangari
Copyright: WDR/Taimas Ahangari

Manfred Kloiber kritisierte die überaus komplizieren  versicherungsrechtlichen Regelungen als „Mogelpackung zu Lasten der Freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.  Alle Sender wüssten schließlich, dass diese über 18.000 Leute in Deutschland als dauerhafte Beschäftigte im Einsatz sind: „Vor allem die Politik ist gefordert, endlich für einheitliche und klare Regelungen im Bereich der Sozialversicherung zu sorgen. So kann es einfach nicht weitergehen.“

Im Bereich des Bestandsschutzes dagegen scheinen ARD-weite Reglungen unmöglich. Die Diskussion im Panel zeigte, dass jeder Sender unterschiedlich vorgeht, wenn freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger oder gar nicht mehr beschäftigt werden. Der Mitteldeutsche Rundfunk zahlt Honorare nur vorübergehend weiter, wenn jemand mindestens 20 Jahre durchgängig beschäftigt war. Beim RBB verhandeln Gewerkschaften und Sender noch um entsprechende Vereinbarungen. Und der WDR bietet nach mindestens 5 Jahren Beschäftigung eine Abfindung an. „Das liegt ganz einfach daran“, erläuterte Franziska Grimm vom WDR-Personalservice, „dass das Regelungen in Tarifverträgen sind. Und die sehen in Köln eben anders aus als in Stuttgart, Leipzig oder Berlin.“

Am Ende gibt es nur ein Signal, das von diesem Panel an alle Freien gesendet wird. Anja Arp: „Man kann sich nicht genug Beratung einholen. Egal, ob in Personalabteilungen oder bei Personalräten, bei den Versicherungen oder Rentenkassen oder auch bei neutralen Experten. Jeder muss sich für sich selbst um die beste Altersversorgung kümmern, damit es kein böses Erwachen gibt.“

Autor: Uwe Dietz, WDR