Zeit, den Status quo aufzubrechen

ARD Freienrat Köln 2023 – Panel: Was bin ich

„Neulich beim Kneipengespräch erklärte ich einem Arbeitsrechtler, dass ich arbeitnehmerähnlich bin“, schilderte ein freier Kollege die Begegnung mit einem Juristen. „Arbeitnehmerähnlich?“ entgegnete der Anwalt, „das gibt es nicht, das ist illegal.“ Die Anekdote sorgte auf dem Panel „Was bin ich? Schluss mit dem arbeitsrechtlichen Ratespiel“ für Kopfnicken und Lacher unter den Teilnehmer:innen. Viele können sich darin wieder finden. Außerhalb der Öffentlich Rechtlichen ist es schwierig Menschen zu erklären, dass wir zwar Seite an Seite mit festangestellten Redakteur:innen am selben Programm arbeiten, häufig seit Jahren und Jahrzehnten und viele sogar auf Lohnsteuerkarte, und dennoch nicht fest angestellt, aber auch nicht scheinselbständig sind.

DJV-Justiziarin Hanna Möllers, die zur Statusfrage von uns festen Freien referierte, sieht die Zeit gekommen, diesen Status in Frage zu stellen. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Anfang der 1980er den Sendern erlaubt hatte, uns regelmäßig zu beschäftigen, ohne uns einzustellen zu müssen, wurde in einer ganz anderen Zeit gefällt. Es ermöglichte den Rundfunkanstalten diese Form der Beschäftigung, um im Sinne der Rundfunkfreiheit Vielfalt und Abwechslung im Programm zu garantieren. Feste Freie sollten damals die fest angestellten Journalist:innen ergänzen, nicht ersetzen, wie es heute der Fall ist. „Wenn jemand seit zehn, zwanzig oder mehr Jahren in derselben Redaktion mit derselben Tätigkeit arbeitet“, folgerte Möllers, „grenzt das an eine missbräuliche Inanspruchnahme des Privilegs der Rundfunkfreiheit.“ Bleibt also nur, zu klagen oder auf die Politik zu hoffen. Zum Beispiel, wenn es eine EU-Richtlinie zum Kündigungsschutz gäbe oder dieser im deutschen Recht auch auf Arbeitnehmerähnliche ausgeweitet wird.

Doch längst nicht alle Freien im Publikum waren sich einig, ob sie fest eingestellt werden wollen. Die einen betonten, sie sind froh, nicht ständig im Sender-Büro zu sitzen, sondern raus zu gehen, zu recherchieren, zu berichten und ihre Zeit freier einteilen zu können. Die anderen berichteten von der aktuellen Einklagewelle bei der Deutschen Welle, weil viele Freie auf die Straße gesetzt werden. Wieder andere beobachten ein Werben um Freie, weil viele Feste der Boomer-Generation in Rente gehen. Kolleginnen und Kollegen vom Hessischen Rundfunk und vom SWR berichteten von den dortigen Regelungen zu Beschäftigungsgarantien für Freie. Diese konnten nur durch hartnäckige Tarifverhandlungen erreicht werden. „Sammelt Ideen“, ermutigte Hanna Möllers die Panel-Teilnehmer:innen, „wie wir Auswege aus der unbefriedigenden Lage finden können.“

Miltiadis Oulios.