Auslagerung in Produktionsgesellschaften – Chance oder Risiko für Freie?

Foto: ARD-Freienrat; Jan-Markus Holz

„Wenn die Gewerkschaften nicht mitspielen, lagern wir die Produktion eben aus“. Im Alltag der Tarifverhandlungen und Beteiligungsverfahren in den Sendern gehört das Reizwort „Auslagerung“ zu den Standard-Drohungen, auf die Gewerkschaften und Personalräte – je nach Temperament und Tagesform – üblicherweise empfindlich-aufgeregt bis sportlich-gelassen reagieren. Anders bei Radio Bremen und im Panel 3 des Freienkongresses. Denn Radio Bremen hat die Auslagerung der früheren Produktionsdirektion in die private „Bremedia“ (Mehrheitsgesellschafter: Radio Bremen) schon lange hinter sich. Und die Direktorin für Unternehmensentwicklung und Betrieb, Brigitta Nickelsen, sorgte mit entschlossener Vorwärtsverteidigung dafür, dass statt eines ideologischen Schlagabtauschs aus dem Panel ein intensives Fach- und Hintergrundgespräch wurde.

Die fünf Panelteilnehmer aus vier Landesrundfunkanstalten diskutierten mit Nickelsen über Ziele und Folgen der Auslagerung insbesondere für Freie – und über Nickelsens zentrale Botschaft:  Die Entscheidung zur Auslagerung sei historisch nur vor dem Hintergrund der akuten Existenzkrise von Radio Bremen zu verstehen. Wegen der Neuordnung des ARD-Finanzausgleiches habe der kleinste ARD-Sender erheblich seine Kosten senken müssen. Dies sei durch die Überleitung des Produktionspersonals in die privatrechtlich organisierte Bremedia erfolgt. Die zum einen durch diese Konstruktion in der Lage ist, Aufträge von Dritten (innerhalb und außerhalb der ARD) anzunehmen und so Einnahmen zu generieren. Und die zum anderen wesentlich niedrigere Gehälter zahlen muss, weil die Gewerkschaften bereit gewesen waren, zumindest für neu eingestelltes Personal deutlich niedrigere Gehälter zu tarifieren. Die Überleitung sei im Kern Arbeitsplatzsicherung gewesen, so sieht es Nickelsen. Die langfristig dazu geführt habe, dass dem Sender zuletzt eine Million Euro pro Jahr mehr für journalistische Produkte zur Verfügung stünden. Radio Bremen als bester Kunde und Mehrheitsgesellschafter habe im Alltag keine Probleme mit dem (gar nicht mal so) externen Dienstleister – jedenfalls keine, die es nicht in ähnlicher Form bei anderen Sendern bei der Zusammenarbeit mit klassischen internen Produktionsdirektionen gebe. Auf dem Markt habe Bremedia sich zuletzt u.a. mit Streamingangeboten etabliert.

Thesen, die insbesondere die Radio-Bremen-Teilnehmer nicht unwidersprochen ließen. Die Spaltung der Belegschaft in zwei Gruppen, die für gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, belaste die alltägliche Arbeit. Auch die Trennung der Interessenvertretungen (Personalrat bei der Sender-Mutter, Betriebsrat bei der Produktions-Tochter) schwäche die Position der Belegschaft. Parallel übrigens zur ohnehin traditionellen Spaltung in Festangestelle und Freie: Trotz der privaten Gesellschaftsform, die sich nicht auf ein redaktionelles Abwechslungsbedürfnis berufen kann, beschäftige Bremedia in nennenswerter Zahl freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Über deren genaue Zahl, konkrete Honorarbedingungen und soziale Schutzrechte wollte bzw. konnte sich die Radio-Bremen-Direktorin aber nicht weiter auslassen. Sie sei lediglich die Aufsichtsratsvorsitzende – über betriebliche Details könne daher besser die Bremedia-Geschäftsleitung Auskunft geben. Die saß aber nicht mit am Tisch. Größere Klagewellen wie zuletzt beim RBB bzw. BR seien aber bisher nicht zu erkennen, bestätigten die anwesenden Radio-Bremen-Personalratsmitglieder.

Als Modell für die ganze ARD bzw. als Option für die laufende Strukturreform wollten weder die  Direktorin noch die Radio-Bremen-Kolleginnen und -Kollegen die Bremedia sehen. Gerade die speziellen medienpolitischen Bedingungen im kleinen Bremen Mitte der 2000er Jahre seien nicht auf die aktuellen Probleme des öffentliche-rechtlichen Rundfunk übertragbar, die Existenzkrise Radio Bremens sei mit der aktuellen kritischen Debatte um die Struktur der ARD nicht zu vergleichen.

Bericht: Christoph Reinhardt