Im Dauereinsatz für Demokratie, Frieden und Freiheit
6. ARD-Freienkongress fordert besseren Schutz für Freie
Freie Mitarbeitende liefern täglich den größten Teil des Qualitätsprogramms im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch sie werden vor Anfeindungen und Angriffen nicht ausreichend geschützt. Zugleich haben sie oft kein regelmäßiges Einkommen und leiden vielfach unter unsicherer Beschäftigung. Der Ukraine-Krieg zeige deutlich, wie wichtig die öffentlich-rechtlichen Sender sind, so Staatssekretärin Heike Raab (SPD), Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder: „Wir haben das beste Mediensystem der Welt.“ Das sollte allen Bürger:innen ihren Rundfunkbeitrag wert sein, erklärte sie auf dem 6. ARD-Freienkongress.
Rund 18.000 ständig freie Reporter:innen, Moderator:innnen, Kameraleute, Cutter:innen und viele weitere freie Mitarbeitende arbeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Besonders die unklare Perspektive nach dem Ende der Beitragsperiode 2024 sorgt bei vielen für Unruhe und Unsicherheit. Für ein Qualitätsprogramm braucht es eine angemessene und langfristig verlässliche Rundfunk-Finanzierung, so das Fazit des Kongresses. Der Ukraine-Krieg zeigt, dass ein von Staat und kommerziellen Interessen unabhängiger und leistungsstarker Rundfunk die beste Stütze der Demokratie gegen Lügen und Propaganda ist, so der ARD-Freienrat zum Ende des Kongresses. Zum 6. ARD-Freienkongress waren vom 23.-25. März 2022 rund 250 Teilnehmer:innen zusammengekommen.
Auf die Frage „Freie: Schutzlos in der ersten Reihe?“ von Steffi Illinger (BR) vom ARD-Freienrat berichteten freie Reporter:innen, dass sie vermehrt etwa bei Corona-Demonstrationen gezielt angegriffen worden seien, insbesondere von Rechtsextremisten. Auch bei Auslandseinsätzen wie in Syrien, Afghanistan und jetzt in der Ukraine habe die Unsicherheit deutlich zugenommen, so berichtete der für den MDR und das ZDF tätige freie Journalist Arndt Ginzel unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Kriegsgebiet. Programmdirektor Thomas Hinrichs vom Bayerischen Rundfunk erklärte, dass die Sender inzwischen vermehrt Schutzausrüstung angeschafft hätten und Sicherheitspersonal einsetzten. Allerdings könnten die Sender nicht die Arbeit der Polizei ersetzen. Als Vertreter der Bundesregierung bekräftigte Jan Ole Püschel, Abteilungsleiter bei der Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, dass Journalisten bei Demonstrationen und Polizeieinsätzen geschützt werden müssten. Bundes- und Länderpolizei seien dabei inzwischen besser geworden, auch dank der vielfältigen Initiativen der Gewerkschaften, so Monique Hofmann von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union DJU in ver.di. Sie wiederholte auf dem ARD-Freienkongress die Einladung an die ARD, dem Schutzkodex für Medienschaffende beizutreten. Damit unterstützte sie die Forderung der Freien nach einem durchgängigen und nicht nur fallweisen Schutz durch die Rundfunkanstalten vor Angriffen auf der Straße, im Netz und gegen sogenannte Einschüchterungsklagen, mit denen unliebsame Berichterstattung verhindert werden soll.
Viele Freie klagten auf dem ARD-Freienkongress über finanzielle Unsicherheiten. Anders als ihre angestellten Kolleg:innen, mit denen sie vielfach Schulter an Schulter arbeiten, erhalten sie oft weniger Geld, beziehen kein festes Einkommen und unterliegen auch nicht dem in der Arbeitswelt üblichen Kündigungsschutz. Frank Überall bestätigte dies in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Deutschen Journalistenverband DJV und als langjähriger freier Mitarbeiter unter anderem für den WDR. Da die Rundfunkanstalten über zu wenige Planstellen verfügten, hätten Freie im Rundfunk auch kaum die Möglichkeit, ein reguläres Angestelltenverhältnis zu erlangen. Durch die zahlreichen zusätzlichen Online-Aktivitäten der ARD ohne oder Sparrunden in den vergangenen Jahren habe die Arbeitslast wegen der erheblich zugenommen, ohne dass die Einkommen entsprechend gestiegen seien. Intendantin Katja Wildermuth betonte dagegen für den Bayerischen Rundfunk, dass die Einkommen der Freien im Verhältnis zueinander in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften ausgeglichener gestaltet worden seien. Sie bekräftigte zugleich, dass die digitale Offensive und das große lineare Programmangebot zugleich weiter gestemmt werden sollen, auch wenn es viele Ressourcen koste.
Umso mehr sorgt die Unklarheit über die Anpassung des Rundfunkbeitrags nach dem Jahr 2024 für Unruhe und Unsicherheit, insbesondere unter den Freien, da sie erfahrungsgemäß zu den ersten Sparopfern zählten. Sie forderten auf dem Kongress von Staatssekretärin Heike Raab als Koordinatorin der Rundfunkkommission ein eindeutiges Bekenntnis der Bundesländer zum unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit der dafür nötigen dauerhaft sicheren Finanzierung ohne die wiederholten Abstriche und Spardiktate. „Spätestens mit dem Ukraine-Krieg, der immer stärker auch ein Informationskrieg wird, sollte klar sein: Jeder Euro für den unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein Euro für Frieden, Freiheit und Demokratie“, so Stefan Tiyavorabun (SWR) vom ARD-Freienrat.
Die weiteren Fachvorträge und Diskussionen nutzten die ARD-Freien für einen intensiven Austausch, für den neben der täglichen Berichterstattung oft die Zeit fehlt. So ging es unter anderem um
- den Schutz vor der schleichenden Verletzung von Urheberrechten und dem damit einher gehenden Einkommensverlust,
- die Probleme und Lösungsmöglichkeiten für eine Altersvorsorge in Zeiten von Niedrigzins und Inflation,
- die Freiheiten und Tücken des Home Office sowie
- die Chancen juristischer Klagen auf ein Angestelltenverhältnis.
Im Gespräch mit Sebastian Fiedler, Innenexperte der SPD im Bundestag, forderte Stephanie Hajdamowicz (WDR) vom ARD-Freienrat klare Kante gegen Rechtsextremismus. Übergriffe gegen Journalist:innen und Kamerateams dürften nicht hingenommen oder verharmlost und werden, Politik und Behörden müssten ihre Versprechen einlösen.
Für den ARD-Freienrat:
Stephanie Hajdamowicz (WDR) Christina Lutz (BR) Christoph Reinhardt (RBB) Stefan Tiyavorabun (SWR) Rüdiger Trojok (MDR)
Freienkongress 2022 – das Programm
Virtueller ARD/ZDF-Freienkongress vom 23. bis 25. März 2022
Mittwoch 23. März 2022 von 18:00 – 19:30 Uhr
Freie: Schutzlos in der ersten Reihe?
Podiumsdiskussion
Angriffe auf Journalist:innen haben zugenommen. Verbal, online, immer öfter auch tätlich. Welche Erfahrungen haben unsere Kolleg:innen gemacht?Was tun die Sender, um ihre Freien zu schützen? In welcher Verantwortung stehen Politik und Polizei in Deutschland? Und wie können Reporter:innen an den Fronten im Krieg geschützt werden?
Podium :
- Dr. Jan Ole Püschel (Abteilung Medien und Internationales bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth)
- Thomas Hinrichs, Programmdirektor Information, BR
- Monique Hofmann (DJU in ver.di, Geschäftsführerin)
- Arndt Ginzel (freier Journalist)
Moderation: Steffi Illinger und Thies Marsen
Anschließend “Get Together” – Austausch unter Freien aller Sender in unserer virtuellen Lounge.
Donnerstag 24.03.2022 von 18 bis 19.30 Uhr
Rat und Service für Freie. Fünf parallele Panels in kleineren Gruppen zum direkten Austausch mit aktuellen Themen, die vielen Freien auf den Nägeln brennen.
JournalistInnen, die über die Zusammenhänge rechter Netzwerke berichten, erfahren zunehmend Gewalt und Bedrohung. Vor allem Rechtsextreme und Neonazis greifen verstärkt auch uns Medienleute an. Wie geraten JournalistInnen auf die sog. „Feindeslisten“, wie funktionieren diese Netzwerke extremistischer Demokratiefeinde – genau darüber spricht Stephanie Hajdamowicz (WDR) vom ARD-Freienrat-Vorstand mit drei prominenten Gästen auf dem Panel im Rahmen des ARD-Freienrat-Kongresses am 24. März ab 18 Uhr:
- David Schraven, Geschäftsführer und Gründer von correctiv und Leiter des Recherchezentrums und ein Kenner der rechten Szene. Schraven hat jahrelang über die rechte Szene in Dortmund berichtet, im Comic „Weisse Wölfe“ wird seine Geschichte nacherzählt.
- Sebastian Fiedler, Bundestagsabgeordneter (SPD), Kriminalhauptkommissar und langjähriger ehemaliger Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter. Er sagt, die Gefahr von Extremisten nimmt zu. Auch bei Querdenkern handle es sich um einen neuen Extremismus mit eigenem Ideologiekern.
- Ralph Gladitz, Reporter des Bayerischen Rundfunks (BR), einer, der über Neonazis und Rechtsextremismus recherchiert hat. U.a. für Dokus wie „Im Visier – Neonazis planen den Umsturz“ (2021), „Die innere Unsicherheit – Wenn Bürger Streife gehen“ (2019).
Fragen aus dem Publikum sind bei diesem Panel ausdrücklich erwünscht.
Die Arbeit in den heimischen vier Wänden ist aufgrund der Corona-Vorsichtsmaßnahmen für Viele zur Normalität geworden. Sie bietet Freiheiten, verlangt aber auch spezielle Voraussetzungen.
- Wie können betriebliche Regelungen aussehen und was sollten sie enthalten?
- Was ist nötig, damit das Arbeiten von zu Hause (oder unterwegs) auch physisch und psychisch gesund ist?
- In einigen Sendern der ARD gibt es bereits Tarifverträge, die das „mobile“ oder „flexible“ Arbeiten regeln und auch für freie Mitarbeitende gelten. Können diese Vorbild für andere Sender sein?
- Was ist bei freier Mitarbeit hinsichtlich des Arbeitsplatzes überhaupt regelbar?
In diesem Panel diskutieren wir mit Dr. Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie der freien SWR-Personalrätin Ina Baumgarten und erwarten Ihre/Eure Fragen.
Moderation: Heidje Beutel (MDR Freienrat Erfurt)
Panel 3: Statusfeststellungklage:
Wie komme ich in den richtigen Beschäftigungsstatus?
„Dann klage ich mich eben ein!“, hört man allzu oft. Doch ist es wirklich so einfach? Ver.di hat vor einigen Jahren nicht-programmgestaltende Freie erfolgreich in die Festanstellung beim BR geklagt.
- Annette Greca, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di in München berichtet von dem Prozess und seinen Folgen. Sie gibt außerdem einen Ausblick auf die Möglichkeiten einer kollektiven Durchsetzung. Bei dieser Veranstaltung sollen auch die Möglichkeiten für Programmgestaltende erörtert werden.
- Ariane Kneißl vom Rechtsschutz bei ver.di erläutert die Chancen der Durchsetzung, Problemstellungen und steht außerdem für allgemeine und spezielle Fragen zu Verfügung.
Moderation: Christina Lutz und Katharina Wesely (BR-Freienvertretung)
Panel 4: Im Job frei, im Alter arm?
Altersvorsorge für Freie
„Was bringt das bei Niedrigzins und Inflation? Was ist, wenn ich für verschiedene Sender arbeite? Kann ich mehr einzahlen und früher aufhören?“ Drei von vielen Fragen interessierter Freier beim Panel „Altersvorsorge“ auf dem 6. ARD-Freienkongress. Gewusst wie: Andreas Klimaschka als Vertreter von Iris Gebing seitens der Pensionskasse Rundfunk mit Antworten und Tipps zur cleveren Altersvorsorge. Zusammen mit einem Vertreter der Presseversorgung erläuterte er auch die Unterschiede zwischen den beiden für Freie wesentlichen Einrichtungen.
Dabei kamen auch die jüngsten Schwierigkeiten der zur Allianz gehörenden Presseversorgung zur Sprache, die von der ARD für Neuabschlüsse nicht mehr wie gewohnt unterstützt wird. In beiden Versorgungseinrichtungen seien die Gelder mit hoher Sicherheit angelegt, folglich seien die Renditen entsprechend des Kapitalmarktes aber deutlich gesunken, allerdings nicht in den negativen Bereich wie bei vielen Banken inzwischen. Die Zinsen bei der Presseversorgung lägen demnach bei etwa 2,5 Prozent. Bei der Pensionskasse schwanke das Zinsniveau zwischen vier und null Prozent je nach Einzahlungszeitpunkt, so Andreas Klimaschka, wobei der Anteil der früher eingezahlten Beiträge entsprechend höher verzinst werde als spätere Einzahlungen.
Gerade in der Niedrigzinsphase sind daher die Zuschüsse der Sender das Entscheidende, so Moderator Stefan Tiyavorabun vom ARD-Freienrat: „Es gibt zwischen vier und sieben Prozent. Das können im Jahr ein paar Tausender sein, ohne eine keine einzige Minute Mehrarbeit.“ Daher waren sich auch die Vertreter der beiden konkurrierenden Einrichtungen einig: „Lieber bei der Konkurrenz als gar nicht, aber: Sichern Sie sich ab und nutzen Sie die Prozente!“ Umso wichtiger ist es, vor einem Vertragsabschluss zu prüfen, ob die wichtigen Zuschüsse auch wirklich einfließen.
Panel 5: Urheberrechte:
Ausverkauf auf Raten
Beiträge werden mehrfach verwendet, im ARD-Programmaustausch weitergereicht – doch immer häufiger gibt es keine Wiederholungshonorare. Wo die Beiträge laufen, erfährt man nur durch Zufall, Benachrichtigungen gibt es selten.
Im Zuge der Ausrichtung auf Online werden die Autorenleistungen in Schichten und nicht in Einzelleistungen abgerechnet. Teilweise sogar ohne Autorennennung.
Es ist an der Zeit, dass Mitarbeitende sich verstärkt für ihre Urheberrechte einsetzen. Wie das am besten geht, erklären David Nejjar, DJV Bundesverband und Matthias von Fintel (ver.di).
Moderation: Tobias Barth (MDR)
Freitag 25.03.2022 von 18 bis 19.30 Uhr
Die Freien im ÖRR: ausgezeichnet – aber ausgenutzt?
Podiumsdiskussion
Der Spagat zwischen Sparvorgabe und jeder Menge neuer digitaler Anforderungen zerreißt uns. Immer mehr Anforderungen fürs gleiche oder sogar weniger Geld. Immer mehr Freie arbeiten in eigentlich für Feste vorgesehenen Positionen. Aber ohne entsprechende Absicherung. Qualitätsjournalismus unter prekären Bedingungen, kann das die Gesellschaft wollen?
Podium:
- Heike Raab, SPD, Vorsitzende der Rundfunkländerkommission und Medienstaatssekretärin der Landesregierung Rheinland-Pfalz
- Prof. Dr. Frank Überall, DJV-Bundesvorsitzender
- Dr. Katja Wildermuth, BR-Intendantin
Moderator:in: Julia Seidl und Friedrich Schloffer
Anschließend “Get Together” – Austausch unter Freien aller Sender in unserer virtuellen Lounge.
ARD-Freienrat unterstützt Protest im rbb: Schluss mit unfairer Bezahlung und mangelhafter Absicherung
Ob Journalist*innen, Kameraleute oder Techniker*innen, die rund 1.500 freien Mitarbeitenden stemmen den Hauptteil des Programms im rbb. Nicht so diese Woche. Viele von ihnen nutzen die ihnen verbleibende Freiheit, die sie als Freie haben: Sie kommen nicht zur Arbeit und verzichten auf ihr Einkommen.
Die Freien protestieren gegen eine unfaire Bezahlung und mangelhafte Absicherung im rbb. Für die gleiche Arbeit erhalten die sogenannten Freien im Rundfunk weniger Geld als die Angestellten und tragen zugleich das Risiko, jederzeit in die Wüste geschickt werden zu können. Der Sparkurs und die digitale Programmoffensive im rbb haben die Lage weiter verschärft. Mehr Arbeit und mehr Unsicherheit, statt gleiches Geld und zumindest annähernd gleicher Schutz. Mit der Gewerkschaft ver.di und dem Journalistenverband DJV fordern sie seit Monaten einen Tarifvertrag zur fairen Bezahlung und zum Bestandschutz.
Der ARD-Freienrat fordert: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit mit Bestandschutz für alle 1.500 sogenannten freien Beschäftigten im rbb. Ob analog oder digital, eine Zweiklassengesellschaft darf es nicht länger geben. Höchste Zeit, dass die Honorare der ständig beschäftigten Freien an die Gehälter angeglichen werden und höchste Zeit für einen Bestandsschutz, damit sie nicht weiter Monat für Monat fürchten müssen, dass sie ihr Essen oder ihre Miete nicht mehr bezahlen können.
ARD-Freienrat unterstützt 1.-Mai-Aktionen beim rbb
Rund 450 Freie beim rbb haben an der Aktion „Frei im Mai“ teilgenommen und an den ersten Tagen im Mai keine Aufträge des rbb angenommen. Sie protestieren damit gegen die Kündigungsschreiben gegen 75 Kolleg*innen, ungerechte Einstufungen in den Honorarrahmen und fordern einen Bestandsschutz-Tarifvertrag. Bei der Auftakt-Kundgebung am 1. Mai in Berlin überbrachte die Sprecherin des ARD-Freienrats, Stephanie Funk-Hajdamowicz, die solidarischen Grüße des Freienrats:
ARD-Freienkongress zieht positive Bilanz
Das Ende des dreitägigen ARD-Freienkongresses fällt mit der Verabschiedung des novellierten Bundespersonalvertretungsgesetzes zusammen. Mit der darin enthaltenen Aufnahme arbeitnehmerähnlich frei Mitarbeitender in die Geltung des Gesetzes erfüllt sich eine langjährige Forderung der Freien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In den letzten rund 20 Jahren ist die freie Mitarbeit zu einer ganz normalen Beschäftigungsform im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geworden, welche sich oft kaum noch von Angestellten unterscheidet. Es ist daher gut und richtig, dass die Novellierung des Gesetzes dies nun auch berücksichtigt.
In den vergangenen drei Tagen haben sich mehr als 300 freie Mitarbeitende zum 5. ARD-Freienkongress online getroffen.
Am Dienstag ging es um die Frage, inwieweit die Beschäftigung freier Mitarbeitender heute noch dem programmlichen Abwechslungsbedürfnis unterliegt oder ob nicht viele Freie eher wie Angestellte arbeiten. Der frühere Justitiar des Saarländischen Rundfunks, Verfassungsrechtler Prof. Dieter Dörr, sagte: „Wenn Sie mich jetzt nach meiner persönlichen Einschätzung fragen – die ich ja heute ganz frei als Wissenschaftler geben kann – dann sehe ich das genau wie Sie: Das hat sich verändert. Das hat sich deutlich verändert, und es ist in diesen Bereichen kein wirkliches Bedürfnis mehr da, dies in freier Mitarbeit zu machen.“
Der zweite Tag beschäftigte sich mit der Personalvertretung der Freien in den Sendern, denn nur bei der Hälfte der Sender haben die Freien Sitz und Stimme im Personalrat. Mit der Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes werden in nächster Zeit auch die Freien bei Deutschlandradio, Deutscher Welle, NDR und RBB über die Personalräte vertreten werden. In dem neuen Gesetz ist zwar festgelegt, dass die „maßgeblich an der Programmgestaltung mitwirkenden“ Freien ausgeschlossen bleiben sollen, dies betreffe aber nur einen sehr kleinen Teil der arbeitnehmerähnlichen Freien, erklärte MdB Volker Kauder (CDU) auf dem ARD-Freienkongress, die allermeisten werden also künftig vertreten sein: „Es geht um die obersten Managerposten in den Sendern, vergleichbar mit Intendanten, Direktoren oder Justiziaren. Lange Rede, kurzer Sinn, Strich drunter: Das Ziel für Sie ist erreicht. Sie werden vom Personalvertretungsgesetz umfasst.“
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Antje Kapek bedauerte die Verzögerung bei der Neufassung des RBB-Staatsvertrages. Dies könnte dazu führen, dass erst 2024 Freie in den Personalrat des RBB kommen würden. Kapek dazu: „Ich gebe Ihnen mein Wort, das wir nichts unversucht lassen, um diese Regelung jetzt möglichst zeitnah auf den Weg zu bringen.“
Auf deutliche Kritik bei den Teilnehmenden des Kongresses stieß der geplante MDR-Staatsvertrag, der diese Neuregelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes für den Mitteldeutschen Rundfunk ausdrücklich ausschließt. ARD-Freienrat Rüdiger Trojok forderte eine Abkehr von dieser Linie und eine baldige Evaluierung des Staatsvertrages mit dem Ziel, dass auch beim MDR Freie künftig im Personalrat vertreten sind.
Der dritte Kongresstag befasste sich mit der Beschäftigungssicherung für Freie. Anders als Angestellte, mit denen sie oft Seite an Seite arbeiten, haben viele der arbeitnehmerähnlichen Freien keine Garantie dafür, dass sie morgen oder nächste Woche beschäftigt werden. Dies ist von Sender zu Sender sehr unterschiedlich in Tarifverträgen geregelt. Viel Zuspruch bekam SWR-Personalchef Thomas Schelberg für das Bestandsschutzmodell im Südwestrundfunk. Demnach haben feste Freie einen Anspruch auf eine dauerhafte Beschäftigung, ähnlich wie ihre angestellten Kolleg*innen. So betonte der SWR-Personalchef: „Wir brauchen Freie genauso wie die Festen“, dies gelte eben nicht nur tageweise, sondern dauerhaft.
Der Bestandschutz beim RBB bietet für nicht-programmgestaltende Freie (z.B. Kameraleute, Cutter*innen oder Grafiker*innen) ein hohes Maß an Sicherheit, nicht aber für Journalist*innen. Marika Kavouras, die den Tarifvertrag für ver.di mit verhandelt hat, forderte die gleiche Beschäftigungssicherung für alle Freien.
Auch wenn das neue Bundespersonalvertretungsgesetz ein Meilenstein ist und die Gewerkschaften ver.di und DJV mit einzelnen Tarifverträgen wesentliche Fortschritte erzielt haben, sieht der ARD-Freienrat noch einen erheblichen Handlungsbedarf: Die festen Freien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfen nicht länger Mitarbeitende zweiter Klasse sein, denn sie machen den größten Teil des Programms.
Workshop: Raus aus dem Schleudersitz! Arbeit für Freie sichern.
Donnerstag, 22.4.2021, 17:00 – 18:30 Uhr .
Raus aus dem Schleudersitz! – Wie lassen sich die Arbeitsplätze für feste Freie sichern?
Die Absicherung für arbeitnehmerähnliche Freie ist innerhalb der ARD und im ZDF ganz unterschiedlich geregelt, zudem sind viele Regelungen kaum bekannt. In einem Expert*innen-Talk stellen wir die beiden Modelle von rbb und SWR aus Insidersicht einer Personalrätin und eines Personalchefs vor und möchten mit Euch diskutieren: Welche Sicherheit haben feste Freie und welche brauchen wir?
Podiumsdiskussion „Freie in die Personalräte“
Mittwoch, 21.4.2021, 16:00 – 17:30 Uhr .
Freie in die Personalräte
Die Zeit ist reif: Bis heute ist gerade einmal die Hälfte der arbeitnehmerähnlichen Freien in ARD und ZDF in den Personalräten ihrer Sender vertreten. Mit der geplanten Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes dürfte das anders
werden: Das Bundesgesetz gilt direkt für die Deutsche Welle und gibt indirekt den Maßstab für die Mehrländer-Sender Deutschlandradio, rbb, MDR und NDR vor. Nicht mehr das „Ob“, sondern das „Wie“ ist noch umstritten. Rechtfertigt die Rundfunkfreiheit den Ausschluss von programmgestaltenden Freien? Brauchen Arbeitnehmerähnliche eigene Gruppenrechte? Oder doch nur: Freienvertretung? Politiker*innen, Gewerkschafter*innen und Freie Mitarbeiter*innen sind eigeladen zur Podiumsdiskussion.
Videotalk: „Wenn sich Arbeitsrecht und Rundfunkfreiheit in die Quere kommen“
Dienstag, 20.4.2021, 17:00 – 18:30 Uhr .
Videotalk:
„Wenn sich Arbeitsrecht und Rundfunkfreiheit in die Quere kommen“
Mit Prof. Dr. Dieter Dörr, Medienrechtler, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Freie Mitarbeiter*innen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland haben einen seltsamen Rechtsstatus. Ganz oft werden die Freien von ihren Sendern auf festgelegten Arbeitsplätzen, in definierten Arbeitsbedingungen und Hierarchien, unter klarer Weisung und teilweise auch mit regelmäßigem Einkommen eingesetzt. Doch obwohl sie von gewöhnlichen Arbeitnehmer*innen kaum noch zu unterscheiden sind, bleiben sie auch vor Gericht freie Mitarbeiter*innen – wegen der Rundfunkfreiheit. Warum ist so? Und: Muss das für alle Ewigkeit so bleiben?
Freienkongress 2021
Vom 20. bis 22. April findet der diesjährige Freienkongress online statt. Die Links zu den öffenlichen Veranstaltungen werden über die internen Newsletter bzw. Intranetangebote der Sender kommuniziert. Wer einen Teilnahme-Link auf anderem Weg erhalten möchte, kann eine E-Mail-Adresse hier hinterlegen.
Tagesaktuelle Hinweise zu den Veranstaltungen posten wir ggf. hier auf ard-freie.de.