ARD-Freienkongress fordert Reformen und mehr Beteiligung der Mitarbeitenden
Die Interessenvertretungen für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den ARD-Sendern und im Deutschlandradio fordern im Zug der Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr Transparenz und starke Beteiligungsrechte für die rund 18.000 freien Beschäftigten. Auf dem siebten ARD-Freienkongress waren an den beiden Kongresstagen am 13. und 14. Oktober insgesamt knapp 250 Teilnehmende im WDR Funkhaus in Köln zusammengekommen, um die Auswirkungen der ARD-Reformen auf die Lage der Freien und ihre Forderungen an die Politik sowie die Leitungen der Sender zu diskutieren.
Stefan Tiyavorabun (SWR), ein Sprecher des ARD-Freienrats, warnte in der Podiumsdiskussion „Rundfunk am Limit – Wird die vierte Gewalt überflüssig?“ vor einer weiteren Schwächung des öffentlich-rechtlichen Systems. Die zunehmende Dominanz von Internetplattformen ohne unabhängige Recherche und mit eigenen Interessen gefährde die demokratische Meinungsbildung, umso mehr, als der Qualitätsjournalismus im Printbereich unter starken Druck geraten sei. Er forderte alle demokratischen Parteien dazu auf, ohne Wenn und Aber für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als zentrale Säule der Demokratie einzustehen, auch wenn es erheblichen Verbesserungsbedarf gebe. Durch den jahrelangen Spardruck arbeiteten viele freie Journalistinnen und Journalisten bereits am Rand der Überlastung. Die Anforderungen an die Mitarbeitenden, die immer mehr Ausspielwege bedienen, dafür immer weniger Zeit hätten und zugleich Honorarkürzungen hinnehmen müssten, hätten sich erheblich erhöht, berichtete WDR-Personalrätin Anja Arp. „Wir sind zu einer Art eierlegenden Wollmilchsau geworden.“
Dass im Angebot der Sender bereits Qualität verloren gegangen sei, konstatierte Florian Braun, CDU-Medienpolitiker und WDR-Rundfunkrat, insbesondere mit Blick auf Social-Media-Angebote. Man habe anfangs nicht auf geschulte Journalisten gesetzt, sondern auch Leute von außen geholt, die nicht mit den Qualitätsanforderungen öffentlich-rechtlicher Sender vertraut gewesen seien.
Die stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur (Grüne), sprach sich uneingeschränkt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus, plädierte aber zugleich für eine technologische Modernisierung der öffentlich-rechtlichen Angebote, insbesondere der Mediatheken. Die Arbeit der unabhängigen Journalist:innen müsse bei den Bürger:innen ankommen. Sie erwarte von den Sendern saubere Recherche, Transparenz, technologische Exzellenz „und die aktive Suche nach Öffentlichkeiten, die nicht die klassischen Öffentlichkeiten sind“.
WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn sprach von zwei Kernfragen der Zukunft für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Einerseits sorge der Aufstieg der Plattformen für eine „Entregionalisierung“, andererseits müssten Landessender wie der WDR die regionalen Lebensräume im Blick behalten. „Wir sind in der täglichen Abwägung – und brauchen eine finanzielle Grundlage.“ Zwischen den Investitionen in Mediatheken und dem linearen Angebot gebe eine starke Ressourcenkonkurrenz.
Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Frank Überall, forderte die Politik auf, die Weiterentwicklung und den Bestand der Sender sicherzustellen. „Wenn die KEF eine Erhöhung empfehlen sollte, warne ich davor, Öl ins Feuer zu gießen und ein Wahlkampfthema daraus zu machen.“ Ein von mehreren Ministerpräsidenten geforderter Verzicht auf eine Beitragserhöhung sei ein Verfassungsverstoß.
Eine Modernisierung von veralteten Tarifverträgen hatte bereits am Freitag WDR-Verwaltungsdirektorin Katrin Vernau angemahnt. Derzeit werde beim WDR über einen neuen Honorarrahmen für Freie verhandelt. Wie wichtig faire Honorare seien, habe sie bei ihrem einjährigen Einsatz als Interimsintendantin des Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) erlebt. Sie habe dort eine Situation vorgefunden, in der die damalige Geschäftsleitung den Programm-Mitarbeitenden die Angleichung ihrer Honorare auf das Niveau der angestellten Kolleginnen und Kollegen zwar tarifvertraglich zugesichert, danach aber nicht finanziell unterlegt habe. Die große Unzufriedenheit der Betroffenen sei nachvollziehbar.
Christoph Reinhardt, Vorsitzender der RBB-Freienvertretung, forderte, den fehlenden Kündigungsschutz und gesetzliche Arbeitszeitregelungen für arbeitnehmerähnliche Freie durch tarifliche Regelungen zu kompensieren. Dabei müssten die ARD-Sender voneinander lernen und Best-Practice-Regelungen bundesweit ausrollen. Beispielhaft sei etwa der Bestandsschutz-Tarifvertrag des Südwestrundfunks (SWR), der dort einem Großteil der Freien ein vergleichbares Maß von sozialer Sicherheit verschaffe wie Angestellten.
Die stellvertretende Vorsitzende des WDR-Personalrats und Kongressmoderatorin, Stephanie Hajdamowicz, (ARD-Freienrat) berichtete von der Arbeit in der gesetzlichen Personalvertretung und forderte, dass feste Freie in allen ARD-Sendern durch die Personalräte vertreten sein müssen. Sie lobte die 2021 erfolgte Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes, das in der Regelung für die Deutsche Welle auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte in den Geltungsbereich aufnimmt. „In der Folge gibt es inzwischen nicht nur Freie im Personalrat der Deutschen Welle, sondern in der Folge auch beim Norddeutschen Rundfunk und ab dem kommenden Jahr voraussichtlich auch beim RBB. Wir gehen davon aus, dass die Änderung auch für die Freien des Deutschlandradios durchschlägt und fordern, dass endlich auch die MDR-Länder und Bayern den Weg freimachen.“
Neben den tarifpolitischen Diskussionen und Fachgesprächen über Arbeitsrecht beschäftigte sich der Freienkongress in mehreren Panels u.a. mit neuen Entwicklungen wie dem Einfluss von KI-gestützter Technik für den Rundfunk und den Chancen für gemeinnützige Finanzierung von freier journalistischer Arbeit. Mit dem Preis des ARD-Freienrats „Das dicke Brett“ würdigte der Freienkongress in diesem Jahr den wöchentlich erscheinenden Newsletter der rbb-Freienvertretung. „Der Newsletter erscheint inzwischen seit über fünf Jahren zuverlässig mit ungewöhnlich hoher Taktung und ist ein gelungenes Beispiel, dass die Kombination aus geschriebenem Wort, Transparenz und Beharrlichkeit auch Interessenvertretungen mit wenig formaler Macht echten Einfluss verschaffen kann“, so der Vorstand des ARD-Freienrats. Lobend erwähnt wurde auch die Mailingliste der Freien im Deutschlandradio und das umfangreiche Angebot an Freien-Sprechstunden des WDR-Personalrats. Nach zwei zuvor durch Corona bedingten Online-Kongressen planen die Freien von ARD, ZDF und Deutschlandradio ihre Kongressreihe in etwa jährlichem Abstand in Präsenz fortzusetzen.
für den ARD-Freienrat: der Vorstand
Ansprechpartner:
Stefan Tiyavorabun stefan.tiyavorabun[ät]swr.de
Stephanie Hajdamowicz stephanie.hajdamowicz[ät]fm.wdr.de
Christoph Reinhardt christoph.reinhardt[ät]rbb-online.de